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Ausstellungsreihe BlauArt. Polizei trifft Kunst
Pilot-Ausstellung mit Joachim Lautenschläger und Anne-Katrin Altwein
zum Ausstellungsvorhaben Prävention: Sehen - Fühlen - Denken
der Polizei-Inspektion Neubrandenburg
19.4. - 27.9. 2012
(Im Bild: Ausstellungssituation und Aufbau)
Herzlich Willkommen!
in Neubrandenburg - Darrenstraße 2
Öffnungszeiten: Di - Do 10 Uhr - 15 Uhr
(und nach Vereinbarung 0395-5582-5004)
Vor allem für Schülergruppen kann eine spezielle Führung stattfinden.
Laudatio von Nicole Buchfink, BlauArt-Team PI Neubrandenburg
Sehr geehrte Frau Altwein,
sehr geehrte Damen und Herren,
Lessing sagte: „Man lobt den Künstler dann erst recht, wenn man über sein Werk sein Lob vergisst.“ Aber noch vergessen wir das Loben nicht – die Ausstellung ist ja noch nicht eröffnet. Also, bevor wir mit offenen Mündern, staunend, still bewundernd vor den hier ausgestellten Werken von Anne-Katrin Altwein stehen bleiben, werde ich versuchen, die Arbeit und die Persönlichkeit der Künstlerin entsprechend zu würdigen.
Als wir mit unserem Anliegen, dem Präventionsprojekt „BLAUART“ an Frau Altwein heran traten, war sie begeistert, ja regelrecht Feuer und Flamme und stimmte sofort zu. In einer der zahlreichen E-Mails, die hin und her geschickt wurden, schrieb sie: „Immer noch bin ich sehr erfreut und beschwingt und sogar begeistert über Ihr Engagement Nachtblau. Polizei trifft Kunst. Und hoffe auf weitere tolle Ideen zur Anregung.“ Doch das Gegenteil war der Fall. Nicht wir gaben die Anregungen, sondern Anne-Katrin Altwein in ihrer übersprudelnden Art brachte uns die Kunst so nahe, dass bei den gemeinsamen Beratungen schon mal über die Blumen des Bösen und die Polizei diskutiert wurde. Frau Altwein: Vielen Dank für Ihre so erfrischende polizeifremde Art und viele neue Ansichten.
Dass Anne-Katrin Altwein einem solchen – verhältnismäßig kleinen – Projekt zugesagt hat, ist keine Selbstverständlichkeit. Sie ist eine international anerkannte Künstlerin, die es, vor allem im Thüringer Raum, zu einem sehr hohen Bekanntheitsgrad gebracht hat. Sie ist im Sommer 2011 in das beschauliche Ivenack gezogen und hat sich innerhalb kurzer Zeit auch in Mecklenburg-Vorpommern einen Namen gemacht.
Auch wenn Frau Altwein selbst sehr bescheiden ist (sie sagt von sich: „Ich will nicht vordergründig in Erscheinung treten, sondern eher hinter die Dinge zurücktreten…“), möchte ich Ihnen, sehr geehrte Gäste, doch anhand einiger Auszüge aus ihrer Vita aufzeigen, wie bedeutend sie in der Kunstwelt ist:
1984 absolvierte sie in Halle / Burg Giebichenstein ihr Diplom an der Hochschule für Kunst und Design. 1986 erhielt sie am Bauhaus Dessau ihr Wirtschaftspatent und arbeitete bis 1989 im volkseigenen Betrieb als Grafikerin in der Industrie. Noch vor der Wende wagte sie den großen Schritt in die Selbstständigkeit als Künstlerin. Dieser Schritt lohnte sich, es folgten unzählige Preise, gerade für ihre Kunst im öffentlichen Raum. Etliche Stipendien und Arbeitsaufenthalte führten sie ins Ausland, unter anderem nach Brasilien, Paraguay, Argentinien, Schweden, Mexiko, nach Frankreich, in die Schweiz, nach Italien, Kroatien, in die USA und immer und immer wieder nach Vietnam. Ihre dort gesammelten Eindrücke und unterschiedlichen Erfahrungen finden sich in Anne-Katrin Altweins Kunstwerken wieder.
Sie sagt von sich selbst: „Mich interessiert kreatürlich Immanentes. Dabei ist das Medium eher sekundär.“. Und diese Aussage bekräftigt sie immer wieder. Ob nun durch „Werte Gemeinschaft / Menschliche Größe“ – 3,60 m große Bronzeskulpturen vor dem Forschungszentrum Lobeda. Oder ihre riesigen, 2,50 m hohen, weißen Marmorfiguren, die beeindruckenden „Drei Moiren“ vor der Uni-Klinik in Jena. Doch dann der Gegensatz: Hauchdünner gebrannter Ton „Klingende Knochen“, von denen man glaubt, sie zerbrechen jeden Moment, deren Namen „Durch den Wind Seiender“, „Zurückweichender“, oder „Hilfeheischender“ zum Denken – Nein – zum Fühlen anregen. Oder das große grafische Repertoire der Künstlerin, ihre Rohrfeder- oder Tuschezeichnungen, ihre Aquarelle… Und wieder anders: mit einer Computeranimation, ihrer skulpturalen 3-D-Echtzeit-Grafik, oder den Film „Hogkburgh-Bocckiade, die weiblichen Angelegenheiten betreffend“, den sie im Jahr 2007 mit Unterstützung der Thüringer Staatskanzlei drehte. Ja, sie unterstreicht: Das Medium ist sekundär!
Frau Altwein überrascht, bewegt, inspiriert und polarisiert mit ihren so vielseitigen Werken. So lud sie uns wörtlich in ihren „Steingarten“ nach Ivenack ein. Jedoch handelte es sich nicht um einen Steingarten, wie Sie ihn wahrscheinlich in Ihrem Garten haben. Die Steine der Künstlerin sind vorwiegend weiße Marmorskulpturen, welche ihren und den Besuchern der Tausendjährigen Eichen schon von weitem an der Straße entgegen leuchten. Und man kann nicht anders, muss dieses glatte, kalte Marmor berühren, den Stein umrunden, jede Facette erkunden und fragt sich dabei ständig, wie sie es geschafft hat, diesem Marmorblock sein jetziges Erscheinen zu entlocken. Danach gefragt, sagt sie: „Vieles bei den Steinskulpturen ist eher langwierige Arbeit, also mehr Transpiration als Inspiration. Aber man sollte (laut Gracian, einem Mönch um 1628) keine Tage der Nachlässigkeit haben.“ Anne-Katrin Altwein erläutert, dass sie eigentlich immer mit einer Empfindung beginnt, sie versucht ihr zu folgen und gleicht ab, ob es noch der richtige Weg ist. Sie beginnt mit der Suche am Stein. Das geht sehr langsam und sie kommt nur stückweise vorwärts und ab und an kommen neue Erfahrungen hinzu, die das Sujet eine wenig „weiser“ werden lassen – vielleicht - im günstigsten Fall. Und man kann sich vorstellen, wie die Künstlerin suchend vor den hier ausgestellten Skulpturen stand, als sie noch nur grobe Steine waren.
Der Frauenkopf, die weiße Allonge, gerade 38 cm hoch. Einst ein Marmorblock. Was hat Frau Altwein frei gelegt? Was war bereits da? Wohin führte die Suche am Stein? Wir schauen in ein Gesicht, so unscheinbar zart, so verträumt. Ja, die gesuchte Weisheit ist gefunden. Die weise Allonge?
Und dann – die „Nachbarin“ aus groben Sandstein. Auch sie war schon da – wurde „nur“ freigelegt… Über sie schreibt die Erschafferin: „Wie du und ich. Gleiche und andere. Zusammen gehören. Kuhwarme Herde. Zutrauen. Sich nichts zutrauen. Sich trauen lassen. Die Nachbarin. Gerüchteköchin. Friseuse der Wahrheit. Immer auf dem Sprung sein.“
Sie können heute auch Frau Altweins Skulpturen aus Diabas bewundern. Wie den Pelikan, man entdeckt ihn erst nach dem Umrunden der Skulptur – aber auch er war schon da. Ihren „Handschuh“. Die „gestreckte Hand“. Wird sie uns gereicht? Die „gewölbte Hand“. Wen beschützt sie? Daneben „Kind und Tier“. Sie gehören zusammen. Sind miteinander verschmolzen, unzertrennlich. Das Werk trägt offiziell den Namen „Kind und Tier“, in einer E-Mail nennt es die Künstlerin jedoch Apaiser, französisch für besänftigen, Angst nehmen. Und beim Betrachten der Figur versteht man auch diesen Namen.
Sehen Sie sich auch den Stein genauer an. Den Diabas. In der alten Literatur wird er Grünstein genannte und ist laut Lexikon ein „alter submarin vergrünter Ergussstein in der Anchimetamorphose, also der Vorstufe zur Metamorphose. „Diabas“ – griechisch für Übergang. Welcher Stein wäre für diese bildende Kunst geeigneter? Frau Altwein beschleunigt die Millionen Jahre dauernde Umwandlung des Steins, den Übergang, und bringt ihn zur Metamorphose, zur Verwandlung. Schafft daraus ihr Werk.
Oder schauen Sie zurück, dem „Voyeur“ in die Augen. Mit seinem trotzigen Kinn, den breiten Lippen, der langen geraden Nase. Was hat er beobachtet, der „Voyeur“? Er verbarg sich in dem grünen Verde Serano, einem kubanischem Naturstein und wurde befreit von Anne-Katrin Altwein. Jetzt wird er selbst betrachtet – beobachtet.
Auch „Frau Fornace“ hat diese breite Nase, das eckige Kinn und wulstige Lippen. Sie ist so uneuropäisch, dass man vermuten kann, dass die Künstlerin sie mitbrachte, von einem ihrer zahlreichen Auslandsaufenthalte.
Über allem wacht er, der „Hund“ aus schwarzem Stein vom Inselsberg, der Thüringer Heimat der Altwein. So schlau, so wachsam.
Neben den Steinskulpturen stellt Anne-Katrin Altwein hier auch eine Bronzeplastik aus. „Die kleine Frau“. Knappe 20 cm groß steht sie da, scheint zu warten. Mit hängenden Schultern, bucklig und mit ausladendem Gesäß. Aufblickend, herausfordernd. Sieh mich an! Und ja, das möchte man. Ich lade Sie ein, genau dies zu tun.
Womit wir wieder bei Lessing sind. Wir stehen vor Anne-Katrin Altweins Werken, stumm, mit offenen Mündern, grübeln, empfinden und wollen sie berühren. Aber nur ganz leicht! – darum bittet die Künstlerin. Gehen Sie um die Werke herum, es gibt keine Vorderansicht; entdecken Sie neue Perspektiven. Dabei können Sie durchaus das Lob der Künstlerin vergessen – müssen Sie aber nicht…
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Aktualisiert: Anne-Katrin Altwein, 23 April, 2012